Liebe Schwestern und Brüder,
dieses Bild zeigt die Elisabethkirche in Kassel. Am 6. November 2023 brachen alle 26 Dachbalken über
der Kirche zusammen. Es ist ein kleines Wunder, dass dabei niemand verletzt wurde – es hätte ganz anders ausgehen können.
Seither begleitet mich dieses Bild, das Bischof Michael Gerber mit mir geteilt hat. Immer wieder
wandern meine Gedanken zu diesem Anblick:
Die Kirche stürzt ein – und Christus ist mittendrin. Ein Teil des Daches hängt im Kreuz. Welche
Schrammen und Schäden die Christusfigur selbst davongetragen hat – wir wissen es nicht, denn
monatelang konnte niemand den Raum betreten. Niemand konnte das Kreuz retten – und niemand
musste das Kreuz retten. Denn Christus rettet uns und Christus bleibt, selbst wenn es für uns zu
gefährlich wird.
Mich tröstet dieses Bild. Denn so vieles stürzt in unserer Kirche in diesen Monaten zusammen: Selbstbilder und Selbsteinschätzungen von evangelischer Kirche als sicherer Kirche sind durch die ForuM-
Studie zu sexualisierter Gewalt zusammengebrochen – und Christus ist mittendrin, hält die Erschütterungen aus, zeigt die Wundmale derer, die für ihr Leben gezeichnet sind, teilt das Leiden, das Menschen durch sexualisierte Gewalt zugefügt wurde, ohne es zu verharmlosen oder zu negieren.
Die Entwicklungen und Erkenntnisse der vergangenen Monate im Blick auf die finanzielle und personelle
Entwicklung unserer Kirche lassen so manches Bild von Kirche einstürzen. Wir werden nicht mehr die überall
präsente Volkskirche sein, sondern uns von vielen Gebäuden und Arbeitsfeldern trennen müssen – und
Christus ist mittendrin, da, wo es besonders schwer ist, wo die Trauer, die Empörung, die Wut groß und
mächtig sind. Er hilft uns verstehen, was es heißt, dass Gottes Kraft in den Schwachen mächtig ist.
Christus ist mittendrin im Leid, im Umbruch, im Schmerz, im Verwüsteten, das ist die Botschaft von Karfreitag, gerade in diesem Jahr, wo uns grauenhafte Bilder der Verzweiflung und Zerstörung begleiten, in der Ukraine, in Gaza, in Israel. Christus läuft nicht weg, er bleibt, harrt aus, teilt Leid und Schmerz, geht mit in den Tod.
Und das ist nicht das Ende des Weges, sondern Zeichen der Hoffnung.
Möge diese Botschaft Ihr Hören und Reden in diesen Tagen tragen.
Eine gesegnete Karwoche und ein hoffnungsvolles Osterfest wünscht Ihnen
Ihre Bischöfin
Beate Hofmann
Evangelische Kirche von Kurhessen-Waldeck
Landeskirchenamt
Wilhelmshöher Allee 330
34131 Kassel
Tel.: 0561 9378 201